„Zechen und Wunder“

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Geierabend-Premiere: Der Obel überzeugt auch als „Stimmungskanone Ost“

Dortmund, 11.01.2019 • Neue Regie, neuer Darsteller, voller Erfolg: Der Geierabend hat am Donnerstagabend mit „Zechen und Wunder“ eine umjubelte Premiere gefeiert. Trotz zweifelhafter Strohhalm-Protestnummer.

von Dietmar Bock

Letztes Jahr verabschiedeten sich Regisseur Günter Rückert und Darsteller Hans Martin Eickmann. Letzten Donnerstag sind sie nur Besucher und finden es gut. „Als Zuschauer ist es auch sehr schön“, sagt Eickmann. Wehmut hat er keine. „Ich hab´ mir das ja selbst ausgesucht.“

Vom neuen Darsteller Andreas „Obel“ Obeling und der Regie von Heinz-Peter Lengkeit, der erstmals mit Till Beckmann zusammen arbeitet, sind die „Geier a. D.“ ebenso begeistert wie das Premieren-Publikum im vollen Saal, das die „Geier“ nach dreieinhalb Stunden minutenlang mit Applaus belohnt.

Zweifelhafter Protest gegen die EU

Der Obel wird für seine Soli als „Stimmungskanone Ost“ und „Kölsche Jeck“ per dreistufigen Geier-Applaus-Raketen gefeiert. Zudem fügt er sich gut ins Ensemble ein. Besonders als Inder bei „Bollywood West“, der starken Parodie auf den Verkauf von Thyssen-Krupp an Tata, ruft er laute Lacher hervor.

Als „Bäumin des Jahres“ sieht Sandra Schmitz im überdimensionalen Baumkostüm den Hambacher Forst am Braunkohletagebau satirisch als „Straßenbegleitgrün für Schaufelradbagger“, während „der Steiger“ alias Martin Kaysch zu einem zweifelhaften Protest aufruft. Er verteilt Plastikstrohhalme, „einzeln in Plastik verpackt“, wie er betont, an alle Zuschauer. Damit sollen diese am Strand ein Selfie machen und mit dem Vermerk „EU ich blas´ Dir einen“ posten.

Abba liefert den Soundtrack für das Dieselproblem

Zweifellos treffend pointieren Schmitz und Franziska Mense-Moritz das Dieselproblem. Zur Melodie des Abba-Hits „Waterloo“ singen und tanzen sie zur Choreografie von Claudia Lau „Fahrverbot“, das zum Wirtschafts-Waterloo werden könnte. Im Bergbau geht schon jetzt nichts mehr. Die „Geier“ berichten, wie hart es oben nach 40 Jahren „unter Tage“ sein kann. „Seit dem“, sagt Roman Henri Marczewski als Kumpel, „atmet man nur noch Feinstaub ein.“

„Nee, wat is dat schön im Ruhrgebiet“, singen Mense-Moritz, Marczewski, Murat Kayi und Andreas Ruhnke. Letzterer ist Schlagzeuger der Geierabend-Band mit Oleg Bordo (E-Piano), Matthias Dornhege (Tuba, Posaune), Bettina Hagemann (Bass, Geige, Gitarre) und Gilda Razani (Saxophon, Theremin – elektronisches Instrument, das ohne Berührung mit den Händen in einem elektromagnetischen Feld gespielt wird) und glänzt zudem als singender Bass. Das Quartett intoniert den musikalischen Höhepunkt bei „Zechen und Wunder“, wird dafür mit viel Beifall bedacht.

Inhaltsleere Plattitüden und starke Emotionen

Wie auch Hans-Peter Krüger und Martin F. Risse bei der „Nachspielzeit“, dem Interview mit einem Orchestermusiker im Stil von Befragungen der Profikicker am Spielfeldrand. Ein Festival von inhaltsleeren Plattitüden und starken Emotionen, diesmal satirisch konzertant zelebriert.

Statt die „Zwei vonne Südtribüne“ gibt es nun „Frauenrausch: Ein Schal für zwei“. Franziska Mense-Moritz zieht ab jetzt mit Sandra Schmitz, statt früher mit Hans Martin Eickmann, zu „Heja BVB“ ein und aus Frauensicht über den Fußball her. Beide sorgen für einen neuen Blickwinkel, der dem vorherigen in punkto Komik in nichts nachsteht.

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